Konflikte sind allgegenwärtig.
Wie in jeder anderen Beziehung gibt es Missverständnisse und auch Konflikte. Dort, wo man eng zusammen lebt, entsteht Reibung. Die Art und Weise, wie Konflikte ausgetragen werden, verrät viel über die Beziehung. Nach der anfänglichen Schwärmerei in einer Partnerschaft kommt häufig die erste Ernüchterung. Die Verschiedenheiten und Schwächen des anderen werden deutlich. Nicht alle Erwartungen können erfüllt werden. Hunde sind Hunde und werden sich immer als solche verhalten. Beide Seiten versuchen sich gegenseitig zu ihrem Vorteil zu manipulieren. Ein normaler Prozess. Menschen versuchen ihre Hunde über Erziehung zu verändern und nach ihren Erwartungen zu formen. Je nach Hundetyp gelingt dies mal besser und mal schlechter. Es ist zum Beispiel schwierig, einem Husky zu erklären, dass er sich auf dem Spaziergang ohne Leine nur für seinen Menschen interessieren soll, weil dieser ein großes Nähebedürfnis hat. Für Menschen, die gern allein sind (auch auf einem Spaziergang) ist es hingegen der ideale Hund. Aber ist die Rasse allein der Grund, warum sich Mensch und Hund mit einer Leine aneinander gebunden, sich gegenseitig ziehend durch den Wald bewegen? Und wieso tolerieren wir so viel, wenn doch wir diejenigen sind, die sich für oder gegen einen Hund entscheiden können? Manche Menschen drehen sich nur noch um den Hund. Und wollen für jede seiner Aktionen eine klar umrissene Begründung.
Lineare Erklärung für komplexe Beziehung?
Warum macht er das? Diese Frage ist bei Hundehaltern sehr beliebt, aber gleichermaßen schwierig zu beantworten. Sie zielt darauf ab, dass es den einen Grund oder die eine Ursache für Verhalten geben muss. Schaut man sich aber die Komplexität sozialer Kommunikation an, so wird die Beantwortung unmöglich. Warum verhält sich ein Hund aggressiv an der Leine? Weil er nie ohne Leine läuft und deshalb frustriert ist. Weil er seinen Besitzer oder sein Territorium verteidigt. Weil er grundsätzlich unausgelastet ist und nur 10 Minuten vor die Tür kommt. Weil er sich zurzeit in der Pubertät befindet und seine Hormone ihn verwirren. Weil seine Besitzerin Angst vor anderen Hunden hat und sich dementsprechend unsicher verhält. Weil er das mitgeführte Futter oder seinen Ball verteidigt. Weil er als junger Hund einen Beinbruch und keinen Kontakt zu Artgenossen hatte oder aktuell unter Schmerzen leidet. Weil seine Besitzer ihn ungewollt dafür belohnen. Weil er aufgrund seiner Rasse ein höheres Aggressionspotenzial Artgenossen gegenüber hat. Ja, das ist alles richtig oder könnte es sein und es gäbe noch andere Faktoren, wenn auch nicht Gründe, die hier zu nennen wären. Sie allein sind es aber nicht. Faktoren haben in einem System Auswirkungen, wie ein Stein, der ins Wasser fällt und seine Kreise zieht. Sie rufen Reaktionen hervor, die wiederum Aktionen darstellen, auf die reagiert wird. Wie in einer Spirale, bedingt das eine das andere. Am Ende wird deutlich, dass es keinen greifbaren Anfang gibt und das Ergebnis übersummativ ist. Es ist durch die Kommunikation ein Mehr entstanden. Welche Auswirkung bereits eine kleine Veränderung der Umwelt-bedingungen hat, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2000. Dort gab es einen fürchterlichen Vorfall, bei dem ein Kind in Hamburg von einem Staffordshire Terrier getötet wurde. Daraufhin gab es eine neue gesetzliche Verordnung und alle Staffs mussten mit Leine und Maulkorb geführt werden. Natürlich gab es keine Zeit, die Hunde vernünftig an einen Maulkorb zu gewöhnen und dementsprechend schlecht kamen die Hunde damit zurecht. Hunde, die es gewohnt waren, frei zu laufen, mit Artgenossen zu spielen, wurden nun an der Leine an den anderen vorbeigeführt. Menschen haben aus Angst um ihre Kinder die sogenannten Kampfhunde und ihre Halter auf der Straße bepöbelt. Auch die Presse hatte ihr Feindbild gefunden und tat ihr übriges. Eigentlich gab es nur eine kleine gesetzliche Veränderung, dennoch hatte sie große Auswirkung auf die betroffenen Mensch-Hund-Systeme und maßgeblich auf das Verhalten der Hunde. Zudem ging der Ärger weiter, Diskussionen um Hundeführerscheine und ausgewiesene Auslaufflächen sind das derzeitige Ergebnis. Doch ist der Anfang dieser Veränderung wirklich der tragische Vorfall? Oder drückte die starke Reaktion der Öffentlichkeit bereits vorhandenen Ärger oder Ängste gegenüber Hunden aus?
Autorin: Nadin Matthews
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